Metformin wird seit Jahrzehnten erfolgreich zur Behandlung von Typ-2-Diabetes eingesetzt, doch es zeigt auch potenzielle Wirkungen in der Krebsbehandlung. In der Tumorforschung wird zunehmend untersucht, wie Metformin die Tumorzellen und deren Stoffwechsel beeinflusst. Dieser Artikel beleuchtet die Mechanismen, durch die Metformin antitumorale Effekte entfalten könnte, sowie die Grenzen aktueller Forschung.
Metformin ist ein Biguanid, das weltweit zur Blutzuckersenkung bei Typ-2-Diabetes verschrieben wird. Doch Forschende, wie jene um Qihai Sui vom Zhongshan Hospital in Shanghai, vermuten, dass Metformin auch gegen bestimmte Krebsarten wirken könnte, da es den Tumorstoffwechsel beeinflusst und somit das Wachstum bösartiger Zellen hemmen kann. In einer aktuellen Übersichtsarbeit haben chinesische Forschende Studien zusammengefasst, die die antitumoralen Potenziale von Metformin beleuchten. Dabei zeigte sich, dass Metformin nicht nur die Stoffwechselprozesse von Tumorzellen, sondern auch deren Mikroumgebung beeinflussen könnte.
Bösartige Tumoren zeichnen sich durch spezifische Stoffwechselveränderungen aus, die notwendig sind, um das rapide Wachstum und den hohen Energiebedarf der Krebszellen zu decken. Diese Umstellung ermöglicht es den Tumorzellen, selbst in ressourcenarmen Umgebungen zu überleben und zu wachsen. Die Frage, ob und wie Metformin diese Stoffwechselprozesse gezielt stören könnte, wird derzeit intensiv erforscht.
Der sogenannte Warburg-Effekt beschreibt die Fähigkeit von Tumorzellen, bevorzugt Energie durch Glykolyse zu gewinnen – selbst bei ausreichender Sauerstoffversorgung. Dieser Prozess ist zwar weniger effizient als die oxidative Phosphorylierung, versorgt Tumorzellen jedoch schneller mit den Zwischenprodukten, die sie für ihr unkontrolliertes Wachstum benötigen. Studien deuten darauf hin, dass Metformin diesen Effekt stört und möglicherweise die normale Zellatmung in Krebszellen wiederherstellen kann.
Metformin greift in die Stoffwechselprozesse von Tumorzellen ein, indem es unter anderem die Glykolyse, Lipidsynthese und Proteinmodifikation hemmt. Dies kann das Zellwachstum und die Teilung von Tumorzellen verlangsamen und zu einem Energiemangel führen. Eine der wichtigsten Wirkungen von Metformin ist die Aktivierung der AMP-aktivierten Proteinkinase (AMPK), eines Enzyms, das bei Energiemangel aktiviert wird. Durch die Hemmung des mitochondrialen Komplexes I reduziert Metformin die ATP-Produktion, was den Energiehaushalt der Tumorzellen stört. Das Einleiten einer Energiestressreaktion kann das Tumorwachstum hemmen.
Der mTOR-Signalweg (mechanistic Target of Rapamycin) ist ein zentraler Regulator des Zellwachstums, des Stoffwechsels und des Überlebens der Zellen. In Tumorzellen ist dieser Signalweg häufig überaktiv, was eine hohe Zellteilungsrate und ein schnelles Tumorwachstum ermöglicht. Metformin aktiviert den AMPK-Signalweg, der wiederum den mTOR-Signalweg hemmt, was das Tumorwachstum reduzieren kann.
Die Mikroumgebung eines Tumors umfasst neben den Krebszellen auch Immunzellen, Blutgefäße und andere Zelltypen. Diese Umgebung ist entscheidend für das Überleben und das Wachstum von Tumorzellen. Metformin scheint auch auf diese Umgebung einzuwirken, indem es die Immunantwort moduliert. Es gibt Hinweise darauf, dass Metformin die Wirkung von Immunzellen verbessert, was synergistisch mit anderen Krebstherapien wirken könnte.
Die potenziellen antitumoralen Effekte von Metformin wurden auch in Bezug auf das Überleben bei Endometriumkarzinom untersucht. Eine große retrospektive Kohortenstudie, veröffentlicht im Journal of Diabetes & Metabolic Disorders im Jahr 2024, untersuchte den Zusammenhang zwischen Metformin-Anwendung und der Überlebensrate bei Patientinnen mit Endometriumkarzinom und Typ-2-Diabetes. Die Studie umfasste 6287 Frauen mit Endometriumkarzinom, von denen 664 gleichzeitig an Typ-2-Diabetes litten und entweder Metformin einnahmen oder andere antidiabetische Medikamente nutzten.
Die Ergebnisse der Studie zeigten, dass die Krebs-spezifische Überlebensrate für Diabetikerinnen mit Endometriumkarzinom, die Metformin einnahmen, keinen signifikanten Unterschied zu Patientinnen ohne Diabetes aufwies (Hazard Ratio (HR) 0.87, 95% CI 0.70–1.07). Allerdings war die allgemeine Sterblichkeitsrate in der Gruppe der Metformin-Anwenderinnen höher als bei Nicht-Diabetikerinnen und Diabetikerinnen, die kein Metformin nutzten (HR 1.17, 95% CI 1.03–1.32). Diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass Metformin möglicherweise keine signifikante Verbesserung der krebsbezogenen Überlebensraten bei Patientinnen mit Endometriumkarzinom bietet.
Obwohl viele Laborstudien die antitumoralen Effekte von Metformin belegen, sind die klinischen Ergebnisse bisher begrenzt. Viele der derzeit vorliegenden Daten stammen aus In-vitro-Studien oder Tierversuchen, deren Ergebnisse nicht immer auf den Menschen übertragbar sind. Sauber durchgeführte klinische Studien fehlen noch, um eindeutige Aussagen über die Wirksamkeit und Sicherheit von Metformin bei Krebspatienten zu treffen.
Ein weiteres Problem ist die unklare Dosierung: Welche Konzentration von Metformin tatsächlich antitumoral wirkt, ist noch unzureichend erforscht. Zudem ist die Möglichkeit vielversprechend, dass andere Biguanide, möglicherweise sogar stärker als Metformin, antitumorale Effekte zeigen könnten. Kombinationsmöglichkeiten mit bestehenden Krebstherapien sowie die Suche nach geeigneten Indikationen und Dosierungen sind ebenfalls noch nicht ausreichend geklärt.
Metformin zeigt potenzielle antitumorale Mechanismen, die in der Zukunft neue Wege der Krebsbehandlung eröffnen könnten. Durch die gezielte Beeinflussung des Tumorstoffwechsels und der Mikroumgebung könnte das Medikament einen wichtigen Beitrag zur Hemmung des Tumorwachstums leisten. Die Ergebnisse der Journal of Diabetes & Metabolic Disorders-Studie deuten jedoch darauf hin, dass die Wirkung von Metformin auf die Überlebensraten bei Endometriumkarzinom nicht signifikant ist. Dennoch sind umfassende klinische Studien notwendig, um die tatsächliche Wirkung von Metformin bei Krebspatienten zu bestätigen und sichere Anwendungsmöglichkeiten zu entwickeln.